In der weltweiten COVID-19-Pandemie wurde die Automobilindustrie sicherlich mit am härtesten getroffen. Das Verhältnis zwischen uns und unseren Fahrzeugen entwickelt sich kontinuierlich weiter. Bei jüngeren Menschen nehmen disruptive
Mobilitätsservices entscheidenden Einfluss auf die sich ändernde Sicht auf Fahrzeuge und den Umgang damit.
Im letzten Jahrhundert strebten viele Menschen größtenteils nach dem Besitz eines Fahrzeugs. Dieser Wunsch hatte deutlichen Einfluss auf die Automobilindustrie. Und auch wenn dieser Wunsch nach wie vor für einen erheblichen Marktanteil gilt, sollte die Branche dennoch schleunigst begreifen, dass sich das Kundenverhalten ändert. Kunden kaufen wieder Fahrzeuge, aber nicht mehr so wie früher.
Laut der McKinsey-Studie Global COVID-19 Auto & Mobility Consumer Survey nimmt die Nutzung von Services im Bereich Shared Mobility sowie des öffentlichen Nahverkehrs bedeutend an Fahrt auf. Zudem ist ein beträchtlicher Anstieg und ein zunehmendes Interesse am Kauf von Elektrofahrzeugen zu verzeichnen, besonders in Europa und China, motiviert durch Regierungsanreize und ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit.
Wie schon bei vernetzten, elektronischen und autonomen Fahrzeugen sowie sonstigem technologischem Fortschritt stellen diese neuen, disruptiven Kräfte der Mobilität wichtige Herausforderungen, aber auch aufregende neue Chancen für OEMs und Händlerbetriebe dar.
Die Generation Mobilität
Das Konzept der Shared Mobility wirkt auf viele Marktsegmente zunehmend attraktiv. Unter anderem für Menschen in urbanen Gegenden, Millennials bzw. die Gen Z oder auch für ältere Menschen kann Shared Mobility komfortabler, günstiger und praktischer sein, als ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Zudem befinden sich laut Berichten des Fortune Magazine Fahrzeuge durchschnittlich 95 % der Zeit im Parkzustand. Da steht eine Menge Kapital nutzlos auf Parkplätzen und am Straßenrand herum.
Was heißt das für die Automobilindustrie? Händlerbetriebe bieten künftig Services der ganz anderen Art an. OEMs und Händlerbetriebe, die Erfolg haben wollen, müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken. Das bedeutet, sie dürfen sich nicht länger als Lieferanten, Verkäufer und Wartungsanbieter für Fahrzeuge für den Massenmarkt betrachten, sondern müssen sich neu ausrichten, um die Bedürfnisse der Kunden nach Transport – oder noch besser Mobilität – zu erfüllen.
“OEMs und Händlerbetriebe, die Erfolg haben wollen, müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken.”
Sich den Veränderungen stellen, in die Zukunft investieren
Laut Fortune Business Insights kann davon ausgegangen werden, dass der Markt für Mobilität als Service bis 2026 auf 210,44 Mrd. US-Dollar wachsen wird. Die Branche kann es sich nicht leisten, Services für Personenbeförderung und Carsharing zu bekämpfen. Stattdessen muss sie die Shared Mobility für sich entdecken und zum eigenen Vorteil nutzen.
Auch wenn voraussichtlich insgesamt weniger Fahrzeuge auf den Straßen fahren werden, legen diese Fahrzeuge doch mehr Kilometer zurück, um den Menschen die Mobilität zu bieten, die sie wollen und brauchen. Und das heißt, dass OEMs und Händlerbetriebe ihre Vision überdenken und ihre Kompetenzen sowie die Investitionen in ihr Geschäft verändern müssen.
Händlerbetriebe spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Nutzung der Fahrzeuge für die Kunden möglichst einfach zu gestalten – und zwar unabhängig davon, wem sie gehören. Durch die Schaffung von Drehscheiben für die Markenbindung, die alle Bereiche eines Unternehmens umfassen, lässt sich das Geschäftsmodell der Händlerbetriebe neu gestalten, sodass Händlerbetriebe und ihre Kunden in großem Umfang von diesem neuen Zeitalter der Mobilität profitieren können. Der Schlüssel hierzu ist die Fähigkeit, den Fokus wirksam zu verschieben und das Personal entsprechend neu zu schulen.
“Händlerbetriebe spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Nutzung der Fahrzeuge für die Kunden möglichst einfach zu gestalten – und zwar unabhängig davon, wem sie gehören.”
Eine neue Perspektive auf Fahrzeugverkäufe
Kleinere, agile Unternehmer haben bereits damit begonnen, ihre Strategien auf eine neue Käufergeneration auszurichten. Hier finden Sie einige Ideen, wie sich die Automobilindustrie anpassen und erfolgreich sein kann:
- Abonnements als Kaufoption. Anstelle eines langfristigen Darlehens mit Zinsen, Abschreibungen und weiteren Einschränkungen bieten Sie Monats- oder Jahresabonnements an. OEMs und Händlerbetriebe können dafür die eigenen Fahrzeuge nutzen, die sie dann über Smartphone-Apps den Kunden zur Verfügung stellen. Abonnements bieten den Menschen die Möglichkeit, nur dann für ein Fahrzeug zu bezahlen, wenn sie es benötigen oder möchten. Und sie können Abonnements für verschiedene Fahrzeugtypen für unterschiedliche Verwendungszwecke abschließen, beispielsweise für Geschäftsreisen, Urlaubsreisen etc.
- Einführung von Transport als Service (Transportation-as-a-Service, TaaS) oder Fahrzeuge als Service (Cars-as-a-Service, CaaS). Kunden können ein Fahrzeug für sehr kurze Zeiträume für bestimmte Bedürfnisse mieten oder leasen und dabei nutzungsbasiert bezahlen. Sie holen das Fahrzeug einfach beim Händlerbetrieb ab und zahlen bei der Rückgabe.
- Partnerschaften mit Personenbeförderungsunternehmen wie Uber, Lyft, Didi und anderen. Da immer mehr solche Angebote aufkommen, bieten sich OEMs und Händlerbetrieben ständig neue Möglichkeiten, Personenbeförderungsunternehmen mit einer Flotte örtlicher Fahrzeuge zu versorgen und dazu noch Kundendienstservices wie Garantieleistungen, Teile, Wartung usw. anzubieten.
- Nutzung von CaaS-Daten, um neue, für Kunden angepasste Fahrzeuge zu bauen. Die Daten vernetzter Fahrzeuge werden sich als disruptive Kraft in der Automobilindustrie erweisen. Sie befördern eine extreme Segmentierung, auf deren Basis Fahrzeuge für die Präferenzen beim Lebensstil der Zukunft entwickelt werden.
“Mobilität heißt, dass die Fahrzeuge mehr Kilometer gefahren werden. Doch führt der Umstieg auf Elektrofahrzeuge dazu, dass weniger Teile ausgetauscht und seltener Wartungen durchgeführt werden müssen.”
Teile und Service im Zeitalter der Mobilität
Heute sind Teile und Service nach wie vor der profitabelste Teil der Vorgänge bei Originalhändlerbetrieben. Um in Zukunft aus Kundendienstchancen Kapital zu schlagen, müssen sich Händlerbetriebe heute und in Zukunft an neue Technologien und den Wandel hin zu neuen Bedürfnissen der Kunden anpassen.
Auch wenn Shared Mobility heißt, dass die Fahrzeuge mehr Kilometer gefahren werden, führt der Umstieg auf Elektro- oder Hybridfahrzeuge dazu, dass weniger Teile ausgetauscht und seltener Wartungen durchgeführt werden müssen.
Händlerbetriebe erleben zudem einen Anstieg bei Großkunden, da die Kunden zunehmend davon wegkommen, selbst ein Fahrzeug zu besitzen, sondern eher Teil von TaaS- oder CaaSGeschäftsmodellen werden.
Um in dieser neuen Ära disruptiver Kräfte erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen den neuen Markt gut kennen, damit sie sich weiterentwickeln und ihren Kunden innovative Angebote machen können. Beispiele für neue Chancen bei Teilen und Service:
- Entwicklung neuer Wege für die Wartung von Fahrzeugen. Machen Sie die Serviceabteilung zur neuen „Tankstelle“ für Elektrofahrzeuge mit vielen Ladestationen.
- Angebot eines Batterieaustausch-Service, bei dem Techniker eine voll geladene Batterie vermieten und einbauen, um die Wartezeit zu verkürzen.
- Angebot von Services zum Flottenmanagement. Werden Sie B2B-Anbieter für alle Teile- und Serviceanforderungen von Großkunden.
- Einführung mobiler Serviceleistungen für Kunden. Erweitern Sie darüber hinaus die Zeiten Ihrer Teile- und Serviceabteilung, damit der Service noch komfortabler und passender für den Lebensstil der Menschen ist.
- Investition in Techniker und ihre Kompetenzen. Zahlen Sie höhere Gehälter und investieren Sie in kontinuierliche Schulungen und die berufliche Entwicklung. Positionieren Sie Ihre Mitarbeiter als Ingenieure anstatt als Techniker, um ihren Ruf und ihre Expertise zu fördern.
- Unterstützung der Kunden mit Remote-Softwareaktualisierungen und Durchführung von Remote-Diagnosen für autonome Fahrzeuge. Auch dieses Angebot erhöht das Vertrauen der Kunden in die Ingenieure/Techniker als Experten bei der Diagnose eines Fahrzeugs noch vor ihrem persönlichen Eintreffen.
Das Fazit
In Wahrheit gehört der lang gehegte Wunsch nach einem eigenen Fahrzeug inzwischen für viele Menschen der Vergangenheit an. Wenn überhaupt, besteht in dicht bevölkerten Städten eher ein umgekehrter Wunsch, und das Vorhandensein disruptiver Kräfte sorgt dafür, dass die Kunden Mobilität anders wahrnehmen.
Das stellt für OEMs und Händlerbetriebe eine Herausforderung dar, bietet jedoch auch Chancen. Sie können von diesem Wandel profitieren, indem sie ihr Geschäftsmodell neu ausrichten: Wenn sie nicht länger Verkäufer und Anbieter von Wartungsarbeiten für Fahrzeuge sind, sondern Anbieter von Transportservices werden. Indem sie ihr Denken über sich selbst ändern und dies auch gegenüber den Kunden deutlich machen, können sie die Vorteile zukünftiger Mobilität für sich nutzen.